EuroTier 2021: Farming in the food chain – Zukunftsperspektiven für die Branche in stürmischen Zeiten

Autor: solarstrombauer (Helmut Thomas)

Dr. Reinhard Grandke, Hauptgeschäftsführer der DLG e.V. (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft), Frankfurt am Main

(DLG). Die Weltleitmesse für Tierhaltungs-Profis EuroTier, die vom 9. bis 12. Februar 2021 erstmals nur digital stattfindet, wird für die Nutztierhaltungsbranche zum wichtigsten Treffpunkt in diesem Winter. Der Informationsbedarf der Tierhalter ist hoch, da wie selten zuvor die Rahmenbedingungen für unternehmerische Entscheidungen und Strategien unklar sind.

Mit Blick auf die vergangenen Monate steht die gesamte Wertschöpfungskette in der Tierhaltung unter Druck – mit Auswirkungen auf alle Wertschöpfungsstufen. Sei es die Trockenheit und der damit verbundene Mangel an Grundfutter in der Milchproduktion, seien es die Gefahren der ASP im Schweinebereich oder die Geflügelgrippe im Geflügelbereich. Unklare politische Entscheidungen und gesellschaftliche Diskussionen erschweren zusätzlich die Entscheidungen für Investitionen. Corona in Schlachthöfen und Verarbeitungsbetrieben führen zu einem Stau der Schlachtungen und damit zur Überbelegung von Ställen – mit gravierenden Auswirkungen auf die Preise. Die Veränderungen in der Nachfrage durch den geringeren Außer-Haus-Verzehr schlagen teilweise auch auf die Teilnehmer der Wertschöpfungskette durch. Die anstehende Entscheidung über die Einführung eines Lieferkettengesetzes ist eine weitere große Herausforderung für die global stark verzahnte Agrar- und Lebensmittelbranche.

Die „EuroTier digital“ als Online-Veranstaltung wird die Diskussionen um die brennenden Themen aufgreifen, digitale Diskussionen ermöglichen und Perspektiven für die Zukunft der Branche aufzeigen. Mit ihrem Leitthema „Farming in the food chain“ wird der fachliche Fokus zugleich auf die Rolle der Tierhaltung als wichtiges Glied und verantwortungsvoller Partner in der Wertschöpfungskette für Lebensmittel gesetzt.

Viele offene Baustellen

Die Nutztierhaltungsbranche steht seit Jahren aber besonders aktuell vor vielen großen Herausforderungen: Die politischen Rahmenbedingungen der EU in der GAP werden neu aufgestellt, und mit dem „Green Deal“ und der „Farm-to-Fork“-Strategie steht der Einfluss der Landwirtschaft auf Klima, Umwelt und Biodiversität im Mittelpunkt politischer Diskussionen um die Auslegung der aktuellen GAP, aber auch in der Festlegung der Strategien für die Verhandlungen der kommenden GAP. Dabei spielen die unterschiedlichen Interessen und Ausgangspositionen der Länder in der EU eine nicht unerhebliche Rolle.

Für Deutschland geben die Vorschläge der Borchert-Kommission eine Richtung vor, wie zukünftig Nutztiere gehalten werden können, und wie die Tierhalter für die gesellschaftlich geforderten Leistungen bezahlt werden könnten.

Konkrete Entscheidungen, die den Tierhaltern langfristige Planungssicherheit geben, stehen jedoch noch aus. Hinzu kommen die Änderungen der TA-Luft, die Umsetzung der Düngeverordnung und anstehende Regelungen zur Biodiversität und zum Insektenschutz.

Die Zukunftskommission Landwirtschaft soll Empfehlungen und Vorschläge für die Ziele der Landwirtschaft in Deutschland erarbeiten, die ökonomisch, ökologisch und sozial tragfähig sowie gesellschaftlich akzeptiert sind. Auf ihre Ergebnisse wartet die Branche gespannt, besteht doch die Hoffnung, dass einige der unklaren Rahmenbedingungen definiert werden und die Betriebe eine Grundlage für ihre Zukunftsentscheidungen erhalten.

Zur Zeit besteht eine gewisse Zurückhaltung bei Neuinvestitionen. Für manche Betriebe stellt sich die Frage „Investition oder Ausstieg?“. Trotz dieser Rahmenbedingungen wollen sich die Betriebe weiterentwickeln und suchen Ansätze und Lösungen für ihre Zukunftsstrategien. Neben Technologien, die die Effizienz erhöhen und den Anforderungen an das Tierwohl gerecht werden, wird auch verstärkt Augenmerk auf die Wertschöpfungskette gelegt. Sei es die Frage, welche Partner in der Wertschöpfungskette langfristige und zuverlässige Partner sind, um Risiken von Marktschwankungen abzufedern, oder wie man selbst andere Wertschöpfungsstufen integriert. Hier wird der Schwerpunkt „Direktvermarktung“ der „EuroTier digital“ Impulse und Anregungen geben.

Aber auch die Messe- und Veranstaltungswirtschaft steht seit diesem Jahr vor großen Herausforderungen: Die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie erschweren es, dass Menschen aus aller Welt reisen und Marktplätze besuchen können, um ihre Geschäftspartner zu treffen. Wechselnde Regelungen beim Reisen und für das Zusammenkommen von Menschen machen eine sichere Planung oft unmöglich.

Umfrage zeigt Investitionsbereitschaft

Mit „DLG-Agrifuture Insights“ analysiert die DLG jedes Jahr den Einfluss wirtschaftlicher Rahmenbedingungen und Innovationstrends in der landwirtschaftlichen Branche. Im Jahr 2020 wurde der Fokus auf die Einschätzungen und Sichtweisen der DLG-Mitglieder im eigenen Netzwerk gelegt. Generell ist das Kalenderjahr 2020 von vielfältigen externen Einflüssen geprägt. Die Gewinnerwartungen bei schweinehaltenden Betrieben werden als schlecht bis sehr schlecht eingestuft, was angesichts der Situation mit der ASP und Corona in den Schlachthöfen zu erwarten ist. Die Liquidität ist vielfach stark angespannt und die Aussichten, wann wieder Normalität in die Märkte einkehrt, werden ebenfalls als schlecht eingestuft.

Ebenso haben die Milcherzeuger die ökonomische Notwendigkeit eines höheren Milchpreises  in der Studie dargelegt und sehen auch hier eine schwierige Geschäftsentwicklung unter den aktuellen Herausforderungen. Besonders die Liquidität scheint nach dem volatilen Preisverlauf der letzten Jahre im Fokus zu stehen, da zum Teil noch Liquiditätshilfen aus den Vorjahren getilgt werden müssen.

Die Investitionsbereitschaft der DLG-Mitglieder mit Landwirtschaftsbetrieben ist ebenfalls in der Studie untersucht worden. Acker- und Futterbaubetriebe sehen einen hohen Bedarf an Ersatzinvestitionen in der Feldtechnik. Milchviehbetriebe hingegen geben eine erhöhte Bereitschaft für Erweiterungsinvestitionen an, während die schweinehaltenden Betriebe den Fokus bei Ersatzinvestitionen in Stalltechnik und Betriebsvorrichtungen sehen (z.B. Initiative Tierwohl).

Die Innovationsfelder liegen im Ackerbau in der effizienten und ressourcenschonenden Feldtechnik (z.B. teilflächenspezifische Düngung und bodenschonender Bereifung). Im Milchviehbereich stehen Automatisierungstechnologien im Fokus, um hier für den regionalen Fachkräftemangel Lösungsansätze im technischen Bereich finden zu können. Zudem ist das Interesse an Innovationen des Kuhkomforts und von Sensortechnik im Stall ein spannendes Thema im Milchviehbereich.

Das Interesse der Schweinehaltung zielt deutlich auf innovative Stallbaukonzepte und Tierwohlverbesserungen. Ebenso stehen Themen wie „nährstoffeffiziente Fütterung“ und „Technologien zur Verbesserung der Tiergesundheit“ im Mittelpunkt der Schweinehalter.

Digitales Business-Netzwerk am Start

Die DLG hat mit der Plattform „EuroTier digital“ daher eine digitale Lösung am Start, die die Zeit der Pandemie nicht nur überbrücken soll, sondern als dauerhafte digitale Plattform die EuroTier unterstützt, in dem sie die Funktionen einer Online-Geschäfts-Partnerbörse enthält: Gemeinsame Interessen finden, sich vernetzen, vertrauensfindende Gespräche als Video-Telefonie von Face-to-Face zu zweit oder auch in größerer Runde. Ein „Sit-Down“ vor dem Computer macht es gegebenenfalls auch im „Lock-Down“ möglich, neue Geschäftskontakte zu gewinnen. Erfahrungen aus dem Verhalten der Menschen in Sozialen Netzwerken zeigen, dass aus digitalen Vernetzungen Treffen im realen Leben folgen – und umgekehrt.

Die digitale Plattform für die EuroTier und EnergyDecentral ist eine internationale Business-Plattform und bietet den Besuchern die Möglichkeit, mit den Ausstellern und Experten-Netzwerken der DLG z.B. über die aktuellen Fragen der Tierhaltungs- und Energiebranche zu kommunizieren. Sie ist kein visueller Landwirtschaft-Messe-Simulator. Auch für andere DLG-Messen, wie 2021 die Agritechnica, wird diese Plattform als hybride Lösung zum gleichzeitigen Einsatz während einer Präsenzmesse entwickelt.

Aussteller als digitale Kommunikationspartner

Rund 900 der insgesamt 1400 angemeldeten Aussteller (62 Prozent) zur „EuroTier digital“ sind von Unternehmen aus dem Ausland. Die meisten Auslandsaussteller kommen aus den Niederlanden (143 Unternehmen). Auf dem zweiten Platz rangiert Frankreich (109), dann folgen Italien (80), China (59), Spanien (57), Dänemark (53), Türkei (48), Belgien (40), Großbritannien (30), Polen (28), die USA (27) und Österreich (55).

Innovation Awards

Auch unter den erschwerten Bedingungen dieses Jahr konnte die von der DLG eingesetzte neutrale Expertenkommission aus insgesamt 80 zugelassenen Neuheiten-Anmeldungen aller Sachgebiete interessante Gewinner des Neuheitenwettbewerbs ermitteln. Es wurden daraus eine Gold- und sieben Silbermedaillen des Innovation Awards EuroTier, und eine Gold- und eine Silbermedaille des Innovation Awards EnergyDecentral vergeben. Schwerpunkte der neu entwickelten Produkte lagen im Bereich Tierwohl und Umweltschutz.

Der Animal Welfare Award 2021, der seit 2018 von der DLG gemeinsam mit dem bpt (Bundesverband der praktizierenden Tierärzte) an Produkte vergeben wird, die in besonderem Maße den Anforderungen an einen höheren Tierwohlstandard gerecht werden, ging dieses Jahr an eine Lösung für digitales Gesundheitsmonitoring bei Kälbern.

EuroTier – Weltweit die Leitmesse für Tierhaltungs-Profis  

EnergyDecentral – internationale Fachmesse für innovative Energieversorgung

Angesichts der anhaltend unsicheren internationalen Lage im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie werden die EuroTier, die Weltleitmesse für Tierhaltungs-Profis, und die EnergyDecentral, internationale Fachmesse für innovative Energieversorgung, vom 9. bis 12. Februar 2021 in einer Digitalversion durchgeführt. Eine physische Präsenz-Messe in Hannover findet nicht statt. Die Entscheidung wurde von der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) als Veranstalter der beiden Leitmessen nach ausführlichen Gesprächen mit Branchenvertretern, dem Fachbeirat und Partnern getroffen. Die „EuroTier / EnergyDecentral digital“ bieten Ausstellern hohe Reichweiten und maximale Flexibilität mit digitalen Business-Paketen sowie Besuchern ein umfangreiches Fachprogramm und attraktive Networking-Möglichkeiten. Für das Jahr 2021 bietet die DLG zudem weitere Veranstaltungen und Messen rund um die Themen Nutztierhaltung und dezentrale Energieversorgung an.

Quelle und aktuelle Informationen zu den beiden Messen finden Sie unter: www.eurotier.com und www.energy-decentral.com.

Informationen zur „EuroTier/ EnergyDecentral digital“ finden Sie unter www.eurotier.com/de/digital

Die nächste EuroTier und EnergyDecentral findet vom 15. bis 18. November 2022 als Hybrid-Messe statt.

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